Jungmedizinerforum: MSBB: Warum ich? - Chronische Erkrankungen Teil 1

Beschreibung:

Die Weiterbildung erfolgt interdisziplinär und hat als ein wesentliches Ziel die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit durch Vermittlung der Perspektiven unterschiedlicher medizinischer Berufsgruppen und praktische Vermittlung von Kenntnissen zur integrativen Anwendung interdisziplinärer Therapiemöglichkeiten am Patienten (z.B. Integration Gespräch – medikamentöse Therapie – Heileurythmie – Kunsttherapie – äußere Anwendungen der anthroposophisch erweiterten Krankenpflege). Die Zielsetzung des Seminars besteht in der Förderung praktisch-therapeutischer Fähigkeiten der Teilnehmer auf der Basis einer erweiterten Natur- und Menschenkunde und darauf aufbauender Diagnostik. Sie setzt damit Einführungsveranstaltungen/Basiskenntnisse in Anthroposophischer Medizin voraus.


Dies ist ein Begleitthema zum ursprünglichen Beitrag unter http://www.jungmedizinerforum.org/event/2018-06-22-msbb-warum-ich-chronische-erkrankungen-teil-1-3002/

Von der Website:
http://www.medseminar-bad-boll.de/en/tagungen.html

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde!

»Warum ich?« ist eine Frage, die mit Sicherheit jeder kennt, wenngleich die Frage bestimmt in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen gestellt worden ist oder wird. Wir fragen uns »warum ich?« häufig aus dem Gefühl der Benachteiligung, mal in eher banalen Lebenssituationen wie: »Warum stehe gerade ich im Supermarkt in der falschen Schlange?«, mal mit Blick auf finanzielle Zusammenhänge wie »Warum verdient der Manager einen siebenstelligen Betrag pro Jahr und ich nicht?«, die Frage kann sich aber auch auf sehr ernste, existentielle Dimensionen beziehen: »Warum versterben meine Eltern vorzeitig an Krebs und Deine nicht?«, »Warum kommt mein Kind mit einer schweren Behinderung auf die Welt und Deins nicht?«, »Warum habe gerade ich diese chronische Erkrankung und andere nicht?«. Wie ist es überhaupt möglich, sich selber eine Frage zu stellen? Welche Instanz in uns stellt die Frage, welche findet eine mögliche Antwort, welche entscheidet, dass die Antwort richtig ist, und vor allem welche Instanz in uns lässt auf die Erkenntnis neue Taten folgen? »Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?« – ist der Bestseller-Buchtitel eines zeitgenössischen Philosophen. Für sich selber etwas bzw. sich selber erkennen zu können galt als hohes Ziel in der Kulturepoche, die als die Wiege der abendländischen Geisteswissenschaft erwähnt werden kann: Im Eingangsbereich des griechischen Apollontempels zu Delphi stand der Imparativ: »Erkenne dich selbst«. Damit war aber weniger eine Bespiegelung des eigenen Nabels gemeint als eine Aufforderung, sich als Teil des Kosmos bzw. in sich die Gesetzmäßigkeiten der Natur zu entdecken. Die Entdeckung des eigenen Ichs kann zwei Seiten haben, eine schmerzhafte und eine beglückende. Die schmerzhafte resultiert aus dem Erlebnis der »Vereinzelung«, des »Herausgefallen-Seins aus dem Kollektiv«. »Warum bin ich ganz tief im Innersten anders als jede bzw. jeder andere?«. Individualisierung bedeutet immer auch ein Stück weit Vereinsamung. Die radikalste Form erlebter Vereinsamung, die zum Menschwerden unweigerlich dazu gehört, ist in dem Ausruf zusammengefasst worden: »Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?«. Auf das Erleben der Individualisierung, der Menschwerdung, auf das Gefühl der Vereinsamung kann das gegenteilige folgen, ein beglückendes Erlebnis, die Erlösung in Form einer Gemeinschaftsbildung. Eine Gemeinschaft wird nur durch Individuen, durch Differenzierung möglich! Uniformen bilden eine Masse, aber keine Gemeinschaft! Somit liegt die Kraft vieler Heilungsimpulse in einer ganzheitlich verstandenen Gemeinschaftsbildung, die die seelisch-geistige Dimension implementiert. Gemeinschaft kann darin bestehen, dass man in möglicherweise ausweglosen Situationen zunächst einmal einfach füreinander da ist (»on being present, not perfect «), dass man Menschen mit autistoidem Phänotyp nicht in ihrer »Sonderlichkeit« weiter isoliert, sondern wertschätzend integriert als «einzigartig anders – und ganz normal« («Uniquely Human«) oder dass man Heilmittel findet in Gemeinschaftsbildung mit den uns umgebenden Naturreichen im Sinne von Paracelsus »durch der Natur Examen«. Eine therapeutische Gemeinschaftsbildung bildet Raum für die eigene Wahrheit, für den Übergang vom Sein zum Werden. Wir freuen uns Sie zu einem Seminar begrüßen zu dürfen, bei dem die Referentinnen und Referenten zusammen mit dem Auditorium eine therapeutische Gemeinschaft bilden, die Kontinente übergreifend sein wird. Die Vorträge werden die interprofessionelle, integrative und damit anthroposophisch erweiterte Behandlung chronischer Erkrankungen in den Vordergrund stellen. Dabei wird es um chronische Erkrankungen des Magen- Darm-Trakts gehen (Dr. Martin-Günther Sterner), um solche in der Frauenheilkunde (Dr. Angela Kuck), um Autoimmun- und Tumorerkrankungen (Georg Soldner, Markus Sommer); die Vertiefung der therapeutischen Beziehung durch äußere Anwendungen (Dr. Astrid Sterner) wird genauso zur Aussprache kommen wie die durch Kunsttherapien (Anne Sommer-Solheim). Es werden therapeutische Ansätze der Anthroposophischen Medizin am Beispiel von Kasuistiken zum Thema Fieber und Karzinom vorgestellt (Dr. Sheila Grande), ein neuer Blick auf Menschen mit Autismus (Prof. Barry Prizant) wird neue Perspektiven ermöglichen und der Vortrag über die Bedeutung innerer Zuwendung zum und für den Patienten (Prof. Elaine Meyer) wird Mut machen können beim und für den Patienten da zu sein, auch wenn man sich selber nicht als perfekt erlebt. In interaktiven Arbeitsgruppen werden die aufgezählten Themen vertieft. Auch freuen wir uns sehr auf den künstlerischen Abend mit Musik von der Renaissance bis zur Moderne (Fatemeh Jacobi, Johannes und Christoph Egerer). Sollten Sie an dem Abend an der einen oder anderen Stelle animiert sein mitzusingen und dann auch noch Ihren Nachbarn auffordern mitzumachen, so lassen Sie sich nicht von Ihrem Vorhaben abbringen, wenn Sie Ihr Nachbar etwas schüchtern fragt: »Warum ich?«

Nicht nur in diesem Sinne heiße ich Sie im Namen des Vorbereitungskreises zum Medizinischen Seminar in Bad Boll herzlich willkommen.

Dr. Jan Vagedes