Rückblick: Prävention – Krankheit vermeiden oder Gesundheit entwickeln? – Zukunft ambulante Medizin @ Uni Witten/Herdecke

Gemeinsam mit dem Integrierten Begleitstudium Anthroposophische Medizin (IBAM) wurde Anfang November die Reihe „Zukunft ambulante anthroposophische Medizin“ an der Universität Witten/Herdecke und dem Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke veranstaltet. Ein Hauptziel der Veranstaltungsreihe ist es, durch ein Miteinander und gegenseitiges Kennenlernen der in der ambulanten Anthroposophischen Medizin tätigen Menschen, in einen gemeinsamen konstruktiven Arbeits- und Ideenbildungsprozess zu kommen.

Das aktuelle Treffen rückte das Thema Prävention ins Zentrum und betonte durch die Wahl des Tagungsortes bewusst die soziale Brückenbildung in Richtung der klinisch tätigen Ärzt*innen und der Studierenden. In drei Tagen begegneten sich ca. 70 Menschen aus diesen Arbeitsschwerpunkten und lernten sich durch die Erfahrung des gemeinsamen Übens und Austausches kennen.

Am Freitag wurde am GKH das Treffen mit der Frage „Wo siehst du dich in 5 Jahren und wie willst du arbeiten?“ eröffnet. Viele Aspekte einer kränkenden oder gesundenden Lebensführung klangen aus individueller Sicht an. Grundlegende Gedanken zu Entwicklungsmotiven des Krankseins und Gesundwerdens und die Frage einer Hochleistungsprävention zum gesunden Leben skizzierten den Rahmen des Arbeitstreffens. Ausgehend von den Urmotiven der Nächstenliebe und Hilfeleistung durch das Modell der Solidargemeinschaften wurde die SAMARITA als eine alternative Form der Gesundheitsvorsorge und solidarischen Finanzierung vorgestellt.

Den Samstag gestalteten Projektvorstellungen und interprofessionelle thematische Arbeitsgruppen. Einige Projektvignetten haben wir als Ergänzung dieses Beitrags gesammelt.

Den Auftakt bildete die örtliche „Universitätsambulanz für Integrative Gesundheitsversorgung und Naturheilkunde“. Dort besteht für Patienten die Möglichkeit, in einem ganzheitlichen Setting eine integrativmedizinisch Beratung und Therapie als Ergänzung zur hausärztlichen Versorgung zu erhalten und an Programmen zur Aktivierung der eigenen Ressourcen teilzunehmen.

Das Projekt „Selbst Handeln bei Anfällen“ zeigt im Feld der psychosomatischen Epileptologie den Betroffenen Möglichkeiten der Selbstwirksamkeit im Anfallsgeschehen auf.

Im Curriculum des IBAM wurde das Projekt „Gesundheitsförderung“ eingeführt, das teilnehmende Studierende vorstellten. Im klinischen Setting erarbeiteten sie supervidiert im Patientenkontakt Möglichkeiten der Gesundheitsfürsorge.

Im von Studierenden gegründeten Arbeitskreis Ernährung wird in universitätsoffenen Treffen gemeinsam studiert, gekocht und versucht, dieses grundlegende Element der Lebensführung für die Gesundheit fruchtbar zu machen.

Die „Entwicklungsgesellschaft für ganzheitliche Bildung“ arbeitet an der Quartiersentwicklung, um gesunde Ernährung, ökologische Landwirtschaft und Bildungseinrichtungen im assoziativen Wirtschaften zusammenzubringen und Salutogenese praktisch umzusetzen.


Ob im Plenum, in der Runde oder in den Pausen: Beim Treffen Zukunft ambulante Medizin an der UWH gab es viel Austausch. (Foto: Holtermann)

In den Arbeitsgruppen wurden die Themen der Tagung aufgegriffen, vertieft und im Plenum weiter bearbeitet. Hier tauchte mehrfach in verschiedenen Varianten der Gedanke der „teachable moments“ auf – Zeitpunkte, in denen Menschen offen für Veränderung sind, sodass ein kleiner Anstoß nachhaltig gesundheitsfördernd wirken kann. (Zwei Zitate aus den Diskussionsrunden: „Veranstaltungen, die einen mitnehmen, ins Handeln zu kommen, entsprechen dem Zeitgeist“ und „Interesse an Gesundheit ist Interesse an Veränderung“.)

Am Abend erfolgte der für die Veranstaltungsreihe wesentliche Blick in regionale Versorgungsstrukturen. Die Therapeutika Witten und Krefeld und das Integrative Haus der Gesundheit Heidenheim stellten sich vor. Es war ein besonderer Moment, als sichtbar wurde, wie unterschiedlich jeweils die Idee des Therapeutikums lebt: In Witten seit 35 Jahren, heute ganz fokussiert auf die Patientenversorgung, oder in Krefeld mit doch deutlich öffentlichkeitswirksamerer Dynamik durch Neubau und Rücken ins Gemeindezentrum und in Heidenheim mit der fast überschäumenden Vitalität und Gemeindeverbindung. Es wurde sehr deutlich, welches Potenzial für die ambulante Medizin in diesen Formen liegt und auch welche Freiheit (wie hier „Raus aus der Nische“) und anthroposophisch-medizinische Substanzbildung gelingen kann.


(Foto: Holtermann)

Am Sonntag stand die Tiefe der Beziehungsbildung zwischen Patientinnen und Ärztinnen und Therapeutinnen mit berührenden Motiven der Liebe als therapeutischem Urquell – in der täglichen Begegnung oder urbildhaft im Barmherzigen Samariter – im Zentrum der Gedankenbildung. Das liebevolle Interesse am anderen Menschen und eine wertschätzende Art des Zuhörens eröffnen fruchtbare Perspektiven für Patientin und Therapeut*in.

In der Abschlussrunde lebte die Frage „Welche Motive sind durch die gemeinsame Arbeit präsent und leiten uns in der Weiterentwicklung unserer Arbeitsfelder“. Wie können wir ärztlich als „Change Agents“, als Akteure des Wandels, so arbeiten, dass wir gleichzeitig
Uns wandeln, entwickeln

  • Wandlung, Entwicklung, Heilung bei und mit unseren Patient*innen „kokreieren“
  • Und Wandlung und Transformation im System induzieren, transparentes Feedback geben, wo Entwicklungsbedarf ist, ohne zu verletzen und doch in der notwendigen Klarheit, Wandel und Authentizität leben?

Die gemeinsame Arbeit wurde von den Teilnehmenden als belebend, motivierend und, ja, als heilsam erlebt. Die Vorbereitungsgruppe nimmt die Einladung des IBAM, in den nächsten Jahren erneut die Begegnung zu suchen, von Herzen an.

Christoph Holtermann, Georg Soldner und Carmen Eppel

Projektvignetten “Zukunft ambulante Medizin”:


Dieser Artikel erschien im Rundbrief 3/2019 der Akademie GAÄD

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